Ecken und Kanten

Warum Ecken und Kanten Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung sind

In der anfänglichen Verliebtheitsphase erscheint uns noch alles perfekt. Lässt diese jedoch erst einmal nach, bekommen wir das wahre Gesicht unseres Partners zu sehen, und zwar mit all seinen Ecken und Kanten. Mit ihnen machen sich dann natürlich auch die ersten Zweifel breit. Ist mein Partner überhaupt noch der Richtige für mich? Besonders dann, wenn es kaum noch Übereinstimmungen in der Partnerschaft gibt, folgt ganz schnell die Trennung. Aber warum passiert es uns immer wieder, dass wir an die falschen Partner gelangen? Und ist eine Trennung in den meisten Fällen überhaupt nötig?

Besonders in unserem heutigen Zeitalter streben wir nach Perfektion. Nicht nur unser Job und unsere Hobbies, sondern auch unser Partner soll in unser Bild des perfekten Lebens passen. Wir haben mittlerweile so hohe Ansprüche an unseren Traummann, bzw. unserer Traumfrau, dass diesen kaum noch jemand gerecht werden kann. Mein Partner soll nicht nur mein Seelenverwandter sein, er soll auch noch zusätzlich mein bester Freund, mein Helfer in jeder Notlage, der ehrlichste Mensch an meiner Seite und eine emotionale Sicherheit in meinem Leben darstellen. In Wahrheit kann dies allerdings kein Mensch alles zusammen hundertprozentig erfüllen.

Die Wahrheit ist nämlich: Niemand ist perfekt. Wir haben alle unsere Ecken und Kanten. Das Problem ist nur: Diese sind in der Verliebtheitsphase nicht sichtbar.

Niemand ist perfekt – vor allem nicht dein Partner

Sind wir verliebt haben wir die sogenannte rosarote Brille auf, durch die wir die Unfeinheiten unseres potenziellen Partners eher verschwommen wahrnehmen. Zum anderen verstellen wir uns selbst immer ein wenig, um den Anderen zu gefallen. Wir zeigen uns in der Kennlernphase nämlich grundsätzlich von unserer besten Seite, damit wir eine möglichst hohe Anziehung auf unserem Gegenüber ausüben. Das führt dazu, dass wir ein verzerrtes Bild von unserem Partner bekommen und dieser ebenso von uns. Wir sehen unseren Partner zum Beispiel als besonders höflich, aufmerksam und humorvoll und denken uns, das ist er, der perfekte Mensch an meiner Seite.

Erst dann, wenn diese Phase vorbei ist, zeigen wir unser wahres Gesicht. Die Maske fliegt auf und wir sind zunächst einmal enttäuscht. Viele denken an diesem Punkt der Beziehung: „Das ist nicht mehr die gleiche Person, die ich anfangs kennengelernt habe.“ Er ist nämlich gar nicht mehr so aufmerksam, wie er am Anfang war. Dieser Mensch ist eigentlich eher egoistisch und nimmt absolut keine Rücksicht auf die Gefühle anderer. Man fühlt sich irgendwie hintergangen, obwohl man in der Verliebtheitsphase ja eigentlich nichts Anderes getan hat, als seine Schwächen zu verstecken.

Du solltest dir also eine Sache unbedingt bewusstmachen: Dein Partner ist, zusammen mit ein paar wenigen anderen Personen in deiner Umgebung, einer der Personen, die du am besten kennst. Genauso, wie auch dein Partner dich womöglich am besten kennt. Ihr seid euch so nah, wie kaum jemand anderem im Leben und bekommt deshalb auch die wahren Seiten, bzw. die Schattenseiten, des Anderen zu Gesicht. Wir wissen natürlich alle, dass kein Mensch perfekt ist. Die Unperfektion bekommst du also nur deshalb besonders bei deinem Partner zu spüren, da du ihn so gut kennst. Das ist alles.

Wie wir mit Machtkämpfen versuchen, die Ungleichheit zu beseitigen

Statt dies aber zu akzeptieren, nehmen wir die Schattenseiten unseres Partners extrem persönlich. Denn all die Eigenschaften, die wir als Ecken und Kanten unseres Partners wahrnehmen, sorgen dafür, dass wir weniger Gemeinsamkeiten mit ihm haben und kaum noch auf demselben Nenner mit ihm kommen. Wir sind plötzlich extrem ungleich und wiedersprechen uns in fast jedem Punkt. Das führt dazu, dass wir uns von unserem Partner angegriffen fühlen. Wir können das nicht so stehen lassen und versuchen ihm durch Machtausübung unseren Standpunkt klarzumachen.

Macht spielt für uns Menschen immer eine große Rolle in Beziehungen. Paare können sich in diesen Machtkämpfen so sehr verstricken, dass sie letztendlich nicht mehr miteinander reden oder sich sogar trennen. Zum Beispiel: Der Mann lässt seine Frau eine Stunde mit dem Essen warten, dass sie für ihn vorbereitet hat. Die Frau nimmt seine Unzuverlässigkeit persönlich und reagiert darauf mit Vorwürfen. Der Mann versucht seine Macht auszudrücken, indem er sich der Situation entzieht. Daraufhin redet die Frau tagelang nicht mehr mit ihm, um ihm auf diese Weise ihre Macht zu demonstrieren. Das Ganze kann dann immer so weitergehen, bis einer von den beiden die Nase voll hat und seine Sachen packt und geht.

Experten zählen Machtkämpfe, neben der verlorengegangenen Leidenschaft und der langweiligen Alltagsroutine, deshalb auch zu den Trennungsgründen Nummer Eins. Besonders dann, wenn diese die Überhand nehmen geben viele einfach auf und gehen getrennte Wege. Das ist ja schließlich auch viel einfacher, als an der kaputten Beziehung zu arbeiten.

Ist jemand nicht so wie wir, versuchen wir ihn zu ändern. Funktioniert dies nicht, glauben wir alles versucht zu haben und suchen unser Glück woanders. Wir verstehen allerdings nicht, dass wir auf diese Weise niemals in einer Beziehung glücklich sein können. Genau an demselben Punkt werden wir irgendwann wieder stehen. Nur mit einem anderen Partner.

Was wir wirklich brauchen ist Akzeptanz.

Kannst du damit leben?

Diese Frage solltest du dir eigentlich schon zu Beginn deiner Beziehung stellen. Sobald die ersten Kleinigkeiten auftreten, sollten bei dir die Alarmglocken läuten. Mache dir bewusst, dass diese Fehler Folgen der Ecken und Kanten deines Partners sind und sich in Laufe der Zeit nicht einfach in Luft auflösen. Im Gegenteil, du wirst sie mit Sicherheit noch öfter und intensiver zu spüren bekommen. Frage dich: Mit welchen Dingen kannst du leben, mit welchen nicht?

Das Problem ist, dass wir zu Beginn der Beziehung immer noch alles durch eine Art Liebesfilter sehen. Wir nehmen vieles einfach so hin und lassen uns treiben. Auch tun wir unserem Partner eher mal einen Gefallen. Und aus dem einen Gefallen werden dann zwei, bis diese Gefälligkeiten irgendwann zur Routine werden. Später, wenn wir dann plötzlich aufwachen und merken, dass wir so eigentlich gar nicht glücklich sind oder wir sogar eigene Grenzen überschritten haben, wird uns genau dies zum Verhängnis. Dann heißt es nämlich: „Du hast dich am Anfang auch nie beschwert.“

Versuche also deine Grenzen von vorne herein zu setzen und die Eigenschaften deines Partners weitestgehend zu akzeptieren. Zu jeder glücklichen Beziehung gehören Ecken und Kanten. Ansonsten wäre es ja auch extrem langweilig.